Mittwoch, 5. November 2008

Eine Gute Nacht

Eine Gute Nacht

Dieser Text ist für meinen Freund Lukas, der mich hierbei von Anfang an unterstützt hat!

Es ist 21:49, die Bibliothek wird gleich schließen. Ich stelle mein Buch zurück in die Regalreihe über Metaphysik. Ich trete aus dem schmalen Korridor raus auf einen der großen Hauptgänge. Wie wunderschön dieser große Raum, mit seinen hohen gewölbten Decken, den ganzen Verzierungen und der gigantischen Masse an Regalen doch auch im halbdunkeln scheint. Auf der anderen Seite im Teil für Biologie und Psychologie gehen schon die Lichter aus. Ich sollte mich wohl beeilen. An dem großen Eingang ist nur noch eine Tür offen, neben einem alten Mann bin ich der letzte, der die Bibliothek heute verlässt. Es könnte stimmen, wie einige meiner Freunde meinen, das ich hier zu viel Zeit verbringe.
Unten in der Metrostation warte ich auf meine Linie.
Die Nummer 7.
Elf Stationen muss ich fahren.
Einmal durch die halbe Stadt.
Mein Handy klingelt. Serge ruft an.
"Ja?"
-"Du musst unbedingt kommen!"
"Wohin?"
-"Zu mir! Ich hab' was, was dir 'nen fantastischen Abend bescheren wird!"
"Also eigentlich wollte ich jetzt nach Hause fahren, mir frische Pasta machen und noch'n Film schauen, weil..."
-"Nix da! Du kommst jetzt sofort! Wie ich dich kenne warst du bis gerade bis vor 3 Minuten in der Bibliothek. Also du nimmst jetzt einfach die 7 in die andere Richtung, zwei Stationen weiter steigst du dann Westbahnhof in die 3. Ach du weißt ja wie"
Ein Lachen.
"Hm"

Ich weiß nicht warum, aber ich habe tatsächlich den Bahnsteig gewechselt. Und da die Bahn eine Minute vorher an mir vorbeigerauscht ist, darf ich nochmal 8 Minuten warten.

Die Haltestelle Westbahnhof ist eine der größten der Stadt. Und so kommt es, dass ich erstmal einen weiten Weg durch langgestreckte, neonlichtgeflutete Betonhallen gehen muss, deren Wände mit hässlichen Fließen oder Reklame voll sind. Nach einem mir schier unendlich vorkommenden Wandel durch diese Hallen, wo auch um 22:16 noch ein sehr reger Betrieb herrscht, stehe ich endlich am Steig der Linie 3. Es ist überraschend wenig los dort, obwohl die Linie doch am schnellsten ins Zentrum führt. In diesem halbdunkeln, pastelfarbenen, neonbeleuchtetem Tunnel sind außer mir nur ein Penner der auf seiner Bank schläft, eine kleine Gruppe trinkender Jugendlicher und zwei alte keifende Frauen.
Seltsam.
3 Minuten noch.
Die Linie ist sehr neu, auch die Wagen sind anders als die der Anderen. Sie sind noch neu und nicht voller Grafitti und Eding-Schmiererein. Auch alle Lampen funktionieren noch und alle Sitzpolster sind noch intakt. Ich mag die Wagen nicht. Sie sind zu kalt, zu grau.
22:38. Ich stehe vor der großen Holztür zu Serge's Wohnung. Nach 2 Minuten öffnet er endlich.
"Sorry!" - Tönt es aus der Gegensprechanlage. Als ich reinkommen wird mir als erstes ein Bier in die Hand gedrückt.
"Sehr gut, dass du gekommen bist. Komm rein, setz dich."
Er wohnt in einer Altbauwohnung wie man sie sich nur wünschen kann. Wenn man eintritt kommt man erst mal in einen weiten Flur zu allen Räumen. Alle Decken sind mindestens 3,50 hoch und fast jeder Raum hat große Fenster. Überall ist schönes, altes, gutgeöltes Parkett und alle Möbel sind stilvoll möbeliert. Der größte Raum, den ich gerade betrete, ist das Wohnzimmer. Dort stehen 2 abgewetzte, alte Ledersofas, mehrere Bücherregale, ein paar Kunstwerke und einige andere schöne Sachen. Durch die große Fensterfront hat man einen sehr guten Blick über viele Dächer und Zugang zum Balkon.
Serge ist sichtbar aufgeregt. Er hat wieder die Haare auf der einen Seite kürzer als auf der anderen und sein Ponny fällt ihm über die dichten, dunklen Augenbrauen bis in die klaren blauen Augen. Der 3-Tage umfasst die markanten Wangen, lässt das Gesicht noch ein bisschen schmaler und härter aussehen. Auch heute ist er vorzüglich gekleidet. Mit einem blütweisen Hemd und schwarzem Schlips. Perfekt passend dazu eine tiefschwarze Röhrenjeans und rote Hosentröger. Und ein paar maßangefertigte Schuhe von King's aus London. Insgesamt lässt ihn das ein wenig größer aussehen, als er wohl ist.
"So mein Lieber, setz dich oder bleib stehen, wie auch immer."
-"Was issen jetz' dein Plan?"
"Ha-Ha, also im Rex legt heute das Genie aller Produzenten auf und..."
Ich fange an fast schon geschockt zu staunen.
-"Nein!Ist nicht wahr, oder?Wie genial ist das denn! Sag nicht das du Karten hast?"
"Lass mich erstmal ausreden! Also...und da legt heute das Genie aller Produzenten auf und ich hab durch ein paar nette Leute einen wunderbaren Platz in der Loung bekommen."
-"Ich liebe dich" muss ich einfach mit einem Lachen rausprusten.
"Ich wollte dich mal wieder lachen sehen, mein Lieber. Bei dir war es ja echt beschissen in der letzten Zeit."
Er grinst und freut sich, mich mal wieder in besserer Verfassung zu sehen.
Wir genehmigen uns noch ein Bier und schließlich um 23:04 verlassen wir das Hause. Wir nehmen seinen alten 93er Saab Cabrio, mit offenem Verdeck. Es ist immer wieder fantastisch, nachts durch die fast leeren Straßen der Stadt zu fahren. Vorbei an den ganzen prachtvollen Häuserzeilen, den großen Bauten und Monumenten. Hier und da einige moderne Gebäude. Und in der Nacht lassen sich wunderbar die Alleen und großen Boulevards hoch und runterjagen, sodass die Baumreihen an den Seiten und die Fassaden dahinter nur so vorbeirauschen.
Unser Weg führt uns ins Zentrum. Wir passieren den großen Park und kommen auf den Boulevard. Noch einen weiter biegen wir in eine Seitenstraße ab und parken dort. Und laufen den Rest. Auch vorbei an der Schlange vor dem Club. So ist das halt, wenn man in die Lounge kann.
Oben, in der Lounge, haben wir einen guten Ausblick über den ganzen Club. Die riesige Tanzfläche, die paar auch zu reservierenden Tische an den Seiten und die große und die kleine Bar. Nicht zu vergessen die DJ-Kanzel. Man sagt es sei so die Beste, die es gibt. Sogar mit Bad+Dusche. Der Club ist ein recht großer Raum, da es aber schon fast dunkel ist und nur die Lichtinstalationen eingeschaltet ist, sieht man nicht viel! Nur die Bar ist einigermaßen ausgeleuchtet. Es ist schon gut angefüllt und ein mittelmäßiger DJ legt auf.
Serge hat gute Laune und bestellt eine Flasche Champagner.
"Na gut ein trink ich mit." rufe ich schon mehr oder weniger, denn es ist reichlich laut geworden.
-"Das hab ich aber auch erwartet" Ein Grinsen.
"Danach trink' ich aber nur noch Red Bull - und du sollst auch nicht immer alles für mich zahlen."
Ein Lachen."Genieß es einfach und freu dich an allem. Lass es dir mal wieder gut gehen. Du hattest 'ne harte Zeit, aber jetzt soll's wieder aufwärts gehen."
Er sieht ernst aus und ich weiß das er Recht hat.
-"Freu dich auf das was kommt, besonders den Abend."
Mittlerweile bevölkern auch einige junge Mädchen unseren Tisch, aber so ist das halt, oben in der Lounge. 34 Minuten später kommen noch 2 weitere Freunde von Serge und mir und das ist ein Grund, nochmal anzustoßen. Diesmal mit einem Whiskey-Red Bull. Der Whiskey brennt gut und hat einen vorzüglichen Geschmack.
Um 1:04 dann kündigt er sich an, das worauf hier alle warten. Gerüchten nach soll er ein außergewöhnliches Set spielen, was von einer genialen technischen Idee umgeben sein soll. Ich bin gespannt. Einer der beiden dazugekommenen packt nun ein Päckchen mit weißen Pulver aus und zieht eine Linie auf dem Tisch. Die Mädchen kreischen hysterisch aufgeregt. Ich nehme mir noch ein Red Bull, entschuldige mich bei Serge, dass ich das lieber auf der Tanzfläche ausleben will und geh runter.
Und da erscheint er in der Kanzel. Mit großen, schwarzen Kopfhören. Er grüßt die Menge, alles jubelt.
Dann fängt er an. Mit einem seiner besten Tracks. Die harten, perfekt ausgearbeitet und der feine Sound bringt alles zum Beben. Im ersten Break des Stückes legt er den nächsten Tune drüber. Die Menge kocht jetzt schon. Dieser Energie-Mix aus feinstem Techno dauert ca. eine DreiViertelStunde, bis ich zwischen dem ausklingenden TechHouse-Stück "Efrat" von Shlomi Aber, die ersten Takte eines Minimal Klassikers von Robert Hood raushöre. Nur die wenigsten hier verstehen wohl diesen Übergang.
Nun geht es eine Zeit sehr minimal weiter. Ich glaube viel von Kompakt, aber auch andere gute europäische Produktionen. Und dann, ganz plötzlich fällt mir diese schwere Dubplate von Benga&Skream auf. Die Menge im Club ist am Ausrasten. Da mit hat hier keiner gerechnet. Ihm ist einmal mehr eine geniale Überraschung gelungen. So mixt er perfekt Minimal mit Dubstep, was ich vorher noch nie so gehört habe. Nach einer halben geht er dann zu den smoothen, schnellen Sounds des Liquid-Funks über. Der überfüllte Club ist am Ausrasten. Ich stehe im Vergleich zur Menge fast unbeweglich dort und genieße einfach nur völlig fasziniert von allem. Mit dem Wissen dieser Abend wird in die Geschichte eingehen wird.
Als das Set nach gut 2 Stunden zu Ende ist, gehe ich wieder zur Lounge hoch. Serge steht am Gejänder, hat auch noch dieses völlig faszinierte Strahlen im Gesicht.
Als er mich sieht kann er nicht anders und umamrt mich schreiend:
"Hab ich dir nicht gesagt das wird das Beste?"
Ein lauter Aufschrei. Und er hat keine Drogen genommen..
"Ja, es war...unglaublich!!! Ich bin auch echt noch völlig geflasht. Wollen wir gehen?"
"Nein, man! Ich bleib' noch hier! Ich hoffe er kommt noch hoch."
"Glaub' ich nicht"
Serge bestellt die, glaube ich 6. Flasche Champagner.
"Ich auch nicht, aber ich bleibe noch. Es ist fantastisch hier, heute."
"Ja, kann ich verstehen, aber ich gehe dann mal.Vielen Dank für alles, irgendwie hat mir das jetzt einen gewaltigen Lichtblick auf alles gegeben."
Er muss wieder grinsen.
"Das ist gut, das wollte ich! Viel Spaß noch heute Nacht, wir sehen uns sicher bald."
"Ja, denke ich auch. Glaubst du Emile treibt sich heute Nacht irgendwo rum?"
Er überlegt...Mit dem der Ankunft des neuen Champagners kommen noch mehr Mädchen.
"Ich denke schon, ruf ihn an!"
Ok, danke nochmal für alles! Bis dann."
"Achwas, Gute Nacht, viel Spaß noch"

4:37, ich stehe nun mittlerweile auf der Straße vor dem Club, schlürfe die Reste des noch mitgenommenen Red Bull aus und lasse mir die letzten Stunden nochmal durch den Kopf gehen.
Ich bin nicht der einzige, der jetzt den Laden verlässt.
Es ist fast belebt auf der Straße.
Ich nehme mein Handy und wähle Emile's Nummer.

GObama!

Gerade werden die Stimmen in Virginia, Florida und Indiana ausgezählt. Überall ist es kapp - was gut für Obama ist. Ich hoffe sehr stark daruaf, dass Amerika endlich vernünftig geworden ist und endlich einen großen Wechsel bringt. Allein die Hoffnung die durch diesen Mann entstanden ist. Wenn er heute Nacht verlieren sollte, wäre das eine Riesenentäuschung für sehr viele Menschen. Es wäre fast als hätte das Böse (wieder) gesiegt. Aber ich bin zuversichtlich, das sich diese Nacht gut für die Welt entwickeln wird! Und morgen früh wird diese phantastische Nachricht Milionen, wenn nicht Milliarden Menschen auf der Welt erfreuen. Denn nach einer Statistik stehen nur 9 Staaten weltweit hinter Mc Cain. Aktuell schließen auch die Wahllokale in Ohio, West Virgina und Carolina und es gibt - wie erwartet- keinen eindeutigen Sieger. Ich hoffe, dass sich alles in kurzer Zeit für Obama entscheiden wird und wünsche den USA viel Glück!
Falls die Democrats verlieren sollten, wäre das einfach nur zum heulen, genau so wie ein Sieg.
Ein ganz besonderer Tag in der Geschichte.

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